Sonntag, 18. Mai 2008

Die Lehren des Herrn Ritter


Morgen.


Es ist wieder allerlei passiert in meinem bescheidenen Zivileben und der letzte Eintrag ist ja auch schon bald wieder einen Monat her. Es ist also an der Zeit euch ein bisschen auf dem Laufenden zu halten.

Ich bin vor zwei Wochen aus dem Urlaub in meinem geliebten Vaterland nach Holland zurückgekehrt, um meine letzten drei Monate anzutreten. Endrunde also.

Und die fing gleich vielversprechend an. ICCO, meine niederländische Partnerorganisation, frug Jens und mich schon vor mehreren Wochen, ob wir nicht Lust hätten irgendwann mal nach Haderwijk, einem Ort in grenznähe, zu fahren und dort ein paar Unterrichtsstunden an einer weiterführenden Schule mit einem Vortrag über unser Schaffen in den Niederlanden zu füllen. Da haben wir mal ganz forsch ja gesagt ohne eigentlich so richtig zu realisieren, auf was wir uns da einlassen. Nun war die Aktion schon fast wieder vergessen, als es plötzlich ernst wurde. Wir bekamen die Daten und eine Lehrerin des Nassau-Veluwe Gymnasiums in Haderwijk nahm mit uns Kontakt auf. Was wir uns denn so vorgestellt hätten, ob wir einen Beamer bräuchten, es sei ja schließlich nur noch eine Woche und sie fände es toll, wenn wir ihr unsere Vorstellungen mal unterbreiten würden.

Öhm.

Vorstellungen? Ja.

Nee.. Ehrer nich so.

Vorgestellt habe ich mir eigentlich nix. Um ehrlich zu sein hatte ich meine Zustimmung zu diesem Vorhaben schon wieder erfolgreich verdrängt. Aber wie es aussah mussten wir nun ran. Also Titten auf den Tisch und alles wie üblich: Jens angerufen, Panik gemacht, verabredet um was auszuarbeiten. Bis dahin lief der Plan recht gut. Wir haben uns dann sogar getroffen und schweren Herzens begonnen was zu schreiben, aber irgendwie, zumindest von meiner Seite aus, eher schlecht als recht. Zwei Tage später las ich mein Skript zur Sicherheit nochmal und musste feststellen, dass es so ziemlich das schlechteste war, was ich in der letzten Zeit zu Papier gebracht habe. Also habe ich mich geärgert und meine Wut über mich selbst als Motivation genutzt um den ganzen Schmodder nocheinmal zu schreiben. Diesmal hat es etwas länger gedauert, war allerdings qualitativ auch von wesentlich höherem Wert.

Am gleichen Abend kam Jens vorbei um hier zu nächtigen und mit mir am nächsten Morgen nach Haderwijk zu fahren und Lehrer zu spielen. Wir hatten uns fein säuberlich eine Routenbeschreibung ausgedruckt und sind frühzeitig losgefahren. Alles also bestens geplant. An der Schule angekommen suchten wir erstmal das Lehrerzimmer und jemanden, der für uns zuständig war. Der liebe Herr Erik van Pijkeren war allerdings ein wenig spät dran, was schon zu anfänglicher Beunruhigung führte. Kurz vor Stundenbegin und unserem ersten großen Auftritt kam dann ein junger Mann Anfang dreißig auf uns zugehechet und stellte sich als Erik vor. Das war also der Mann. Cool. Ich hätte mir eher einen alten, bösen Lehrer vorgestellt. Aber nein. Jung und voller Energie stand er vor uns und verlieh seiner Freude über unsere Anwesenheit offenkundig Ausdruck.

Es handle sich um seine Philosophie-Klasse und es sei eine kleine, aber stets interessierte Gruppe. Wir bräuchten keine Angst zu haben. Diese nahm auch deutlich ab während wir so mir Erik sprachen. Wenn der also vor der Klasse stehen konnte, dann konnten wir das auch. Viel älter als wir, war er ja nicht.

Wir waren ein bisschen früher in der Klasse als die Schüler, oder besser die Schüler waren ein bisschen später da als sie hätten sein sollen. Wie auch immer, wir hatten jedenfalls Zeit genug um einen Stuhlkreis zu formen um das Lehrer-Schüler-Verhälnis ein bisschen abzuschwächen.

Und dann kamen sie. Die Schüler. Einer nach dem anderen kam rein, guckte verdutzt, setzte sich verunsichert und starrte Jens und mich an. Stets mit der gleichen Frage im Gesicht geschrieben: „Was wollen die von uns?“

Unser Erik gab eine kleine Einleitung als in seinen Augen genügend Schüler anwesend waren um zu beginnen. Er erzählte den Jungs und Mädels, dass der Kai und der Jens aus Deutschland kämen (Ein Raunen geht durch den Saal – Fußballassoziationen bei den Jungs werden hervorgerufen – schlechte Ausgangsposition...) und heute was über ihr Schaffen in den Niederlanden erzählen möchten. Die Laune der Schüler besserte sich merklich als ihnen klar wurde, dass das bedeutete: Kein Unterricht.

Erik gab uns grünes Licht.

Es ging los. Kai fängt an.

Es hieß die Meute für mich zu gewinnen. Noch sind sie kritisch. Wissen noch nicht, was du ihnen verkaufen willst und ob sie dir trauen können.

Ich beginne mich vorzustellen und zu erklären, was ich hier in Holland mache. Dass ich als Freiwilliger in Barneveld lebe in einer sogenannten Leefgemeenschap „De Bondgenoot“. Das klang ihnen ein bisschen nach Gutmensch, der gutes tut und jetzt missionieren geht. Ich begann den „Keinen Unterricht-Bonus“ zu verlieren... Aber es war noch nicht zu spät. Als ich dann darauf zu sprechen kam und erklärte, dass ich in Deutschland dienstpflichtig bin und verweigert habe um ein Jahr im Ausland zu verbringen, kam das große „Ahso! Wenn das so ist...“ Und ich hatte ihr Gehör wieder. (Ich muss dazu sagen, dass es in Holland keine Wehrpflicht mehr gibt und die Schüler das Modell mit verweigern und Zivi machen nicht kennen.) Der Spieß begann sich zu drehen. Das Interesse wuchs und es kam zu einer anregenden Diskussionsrunde über das Freiwilligenleben. Auch Jens machte seinen Part gut. Er ging mehr auf sein Projekt in Arnhem ein und auf seine individuellen Erfahrungen mir seinen Mitbewohnern und den Klienten ein. Der Vortrag wurde ein voller Erfolg. Sogar das unüberhörbare Klingelzeichen wurde einige Minuten ignoriert (!) und das will sicher was heißen. Wenn ich mal an meine Unterrichtszeit zurückdenke. (Diese endete übrigens diese Woche vor einem Jahr).

Nach unserem fantastischen Start fragte Erik uns wie wir die Zeit bis zur 5. Stunde, in der wir unseren nächsten Vortrag hatten, umbringen wollen. Wir wollten gerne eine Deutschstunde besuchen und Herr van Pijkeren organisierte einen Deutschlehrer, der und mitnehmen würde. Dieser stürme auch gleich enthusiastisch auf uns zu und freute sich wie ein kleines Kind. Er schlug vor, seinen Unterricht umzuschmeißen und spontan eine Fragestunde einzurichten. Also die Schüler sollen an uns Fragen stellen. Einfach frei Schnauze um sprechen zu üben. Coole Sache. Passieren konnte uns jetzt nichts mehr. Ich meine nach der erfolgreichen ersten Stunde liefen wir schon mit breiten Schultern durch die Gegend und jetzt sollten wir auch noch Unterricht in unserer Muttersprache halten. Kein Problem!

Wir stellten uns wieder vor und ließen die Kinder alle Fragen stellen, die sie sich nur denken konnten. Wieder kam nach einigen Minuten der Unsicherheit und Verwirrung eine wirklich lustige Runde dabei raus. Die Fragen gingen von: Wie findest du Holland, bis zu: Welches ist deine Lieblingssorte Gras. (Der Konsum wurde mal vorausgesetzt...)

Sehr locker also alles.

Das ging den Tag so weiter und wir verabredeten uns mit dem Deutschlehrer für morgen vierte Stunde. Das gleiche mit ner anderen Klasse.

Also lümmelten wir wieder nach Hause, jetteten noch in Amersfoort vorbei, auf der Suche nach einem Geschenk für Jens' Vater und fuhren dann nach Hause.

Am nächsten Tag waren wir morgens schon etwas später dran und verpassten aufgrund eines mächtigen Staus auch noch die erste Stunde. Die Busse streiken hier in Holland und so ist es noch voller auf dem Snelweg als üblich. Naja. Das war dann im Endeffekt alles halb so schlimm. Hatten wir eben unseren ersten Vortrag in der zweiten Stunde. Auch unsere Deutschstunde war wieder zucker. Der Herr Lehrer lud uns sogar ein bei dem Austauschprogramm mit einer Schule aus Osnabrück teilzunehmen in drei Wochen und mit ihnen vielleicht nach Amsterdam zu fahren. Das Angebot nehmen wir natürlich gerne und dankend an, doch darüber muss noch gesprochen werden.

Alles in allem erschien mir das jedoch eine ziemlich gelungene Aktion geworden zu sein. Ich glaube ich werde doch Lehrer...


Nein. Niemals ;)



Ich hoffe, euch hats auch gefallen und ihr lest fleißig uns treu weiter.....



Bis zur nächsten Maus,



Kai