Dienstag, 24. Juni 2008

Seminar Holland die Dritte oder auch: Johanna und sein wallendes Haar

Hallo liebe Liebenden...


Es ist wieder einiges geschehen, was ich euch nicht verheimlichen möchte. Ich habe das „End of Service“ Seminar hinter mir. Das letzte in den Niederlanden.

Aufbruchsstimmung macht sich breit. Es geht um Abschied. Die EVSler, also die Mädels unserer (wirklich tollen) Freiwilligengruppe, packen in diesen Tagen langsam ihre Sachen um die endgültige Reise nach Hause anzutreten. Eine Reise, die mir in acht Wochen bevorsteht und auf die ich mich schon freue. Aber ich will nicht so viel über Abschied und Tränen sprechen, sondern ein wenig berichten, was denn da auf diesem Seminar und drum herum so alles passiert ist.

Los ging es, wie man sich sicher denken kann, mit der Anreise. Jens und ich schimmelten mehr oder minder motiviert gegen 16.00 des vergangenen Samstages mit dem Auto nach De Glind, dem Nachbardorf von Barneveld, wo auch schon das letzte Seminar stattfand. Wir waren müde. Sehr müde. Am Vortag, oder besser der Vornacht zelebrierten nämlich wir den niederländischen Fußball gegen Frankreich beim Public Viewing in Rotterdam zusammen mit geschätzten hunderttausendmillionen Holländern, die vom Auftreten von Oranje mindestens genauso geflasht waren wie Jens und ich. Schon sehr porno, wie die Jungs da den Welt- und Vizeweltmeister weggebomt haben... Respekt. In Rotterdam zweifelte in dieser Nacht niemand mehr, wer letztendlich Kampioen werden würde.

Niemand. Um ehrlich zu sein, waren auch wir schon fast überzeugt, dass diese Mannschaft einen ernstzunehmen Gegner für die DFB-Auswahl im Finale darstellen könnte.

Doch genug des Fußballs bis hier. Später mehr...

Man versammelte sich also in De Glind um ein schönes und lehrreiches letztes Seminar zu haben und die letzten Stunden zusammen zu genießen.

Auf dem Programm für die nächsten Tage standen allerlei Aufgaben und Übungen das vergangene Jahr zu evaluieren und auszuwerten und ein sogenanntes „Survivaltraining“. Dieser Begriff und die dafür eingeplanten acht Stunden heizten natürlich die Spekulationen in unserer Gruppe an, was es damit wohl auf sich haben könnte. Survival? Für was? Das Jahr haben wir doch schon fast hinter uns? Was gäbe es da noch zu survivaln? Wenn man sich nun die geografische Lage von De Glind ansieht, kommt einem ein ganz anderer Gedanke. De Glind liegt sehr ländlich. Quasi in Hollands Outback. Die pure Wildnis drumherum. Die Metropole selbst hat geschätzte 150 Einwohner und eben uns, die da eine nette Woche verbringen. Der von uns so viel diskutierte Begriff des Survivaltrainings könnte also recht wörtlich gemeint sein. Mit Spannung warteten wir den vergangenen Montag ab.

Früh klingelte der Wecker. Alles strömte in die Duschen des YMCAs indem wir nächtigten. Beim Frühstück begann das Survival. Wer bekommt das letzte Brot fürs Lunchpaket? Wer wird genügend Essen dabei haben um zu überleben? Um ganz-früh-Uhr versammelten wir uns dann alle vor dem YMCA und wurden ein Stück die Straße entlang und dann in den Wald begleitet. Jeder von uns bekam einen kleinen Umschlag mit vier Blättern und vier Aufgaben. Jede Aufgabe war mit einem anderen, frei wählbaren, Partner zu bewältigen. Der erste Teil bestand aus einer Wanderung durch den Wald.

Ich beschloss die erste Etappe mit Jens zu meistern. Wir bekamen eine schlecht gezeichnete Karte in die Hand und wurden losgeschickt „Punkt Nummer 20“ auf der Karte zu finden. Auf dem Weg dorthin bekamen wir Fragen gestellt (Die standen auf den Aufgabenzetteln) deren Antworten wir auf dem Weg diskutieren sollen. Es drehte sich hauptsächlich um das Erlebte des letzten Jahres. Das jetzt alles im Detail wiederzugeben würde an dieser Stelle zu weit führen.

Tief ins Gespräch vertieft stöberten Jens und Kai also durch den Wald. Wirklich einen Pkan, wo wir hin mussten, hatten wir nicht. Die Karte, die wir hatten, würde ich nicht als brauchbar bezeichnen wollen und so hielten wir uns an die Spuren der Gruppen, die vor uns in den Wald geschickt wurde. Es ging nämlich immer in Zweiergruppen in gewissen Zeitabständen in den Wald. Nach nicht all zu langer Zeit holten wir die Gruppe vor uns ein, die uns genauso fragend ansah, wie wir sie... Keine Ahnung wo lang... vielleicht zwischen den Bäumen da durch? Oder doch zwischen denen da hinten? Oder ist jemand schonmal den Trampelpfad da hinten lang gelaufen? Wenn ja wer und ist er zurückgekehrt? Und es kam, wie es kommen musste. Wir verirrten uns. Fest entschlossen schritten wir schließlich den Weg entlang, den wir für am wahrscheinlichsten hielten und nach ein paar Minuten war ein lauter Pfiff und Schreien von hinten zu hören...

Die Seminarleitung. Was wir denn da für einen Stuss zusammenlaufen würden? Ob wir denn garnicht überleben wollten. Öhm... Doch, ja. Eigentlich schon...

Wir schämten uns für unser Versagen und ließen uns den richtigen Weg zeigen... den fanden wir dann sogar auch ganz alleine nur mit Hilfe...


Stützpunkt 20.


Ein Bauernhof. Dort stand Henk, der Seminarchef und grinste. Partnerwechsel! Ich suchte mir Robi, den Ungar aus dem MissionHouse aus. So sollte es sein. Wir bekamen eine neue Karte mit neuem Ziel, die etwa genauso unleserlich war, wie die alte. Und wir bekamen eine neue Aufgabe, die wir zu diskutieren hatten. Und: Wir bekamen nochwas. Ein Fahrrad. Aber nicht jeder eins, sondern eins für uns beide zusammen...


Tandemfahren! Yeah!


Wir durften auf dem Gelände des Bauernhofes zwei Übungsrunden drehen um den Umgang mit dem seltsamen Gefährt zu erlernen. Das sieht immer so einfach aus, ist aber wirklich Teamarbeit. Besonders hinten ist es ein schreckliches Gefühl die Verantwortung über das Lenken abzugeben.

Was für ein Trip... Aber ob ihr es glaubt, oder nicht, wir sind nicht ein mal hingefallen! Tschakka!

Es ging ein ganzes Stück allerlei Straßen entlang und wir versuchten uns verzweifelt zu orientieren. Zum Glück wussten wir wenigstens welche Stadt wir erreichen sollten und konnten die Wegweiser am Straßenrand gut entziffern, sodass wir trotz einiger lebensgefährlichen Fahrmanöver unser Ziel erreichten... Die Stadt Leudsen. Ihres Zeichens ziemlich hässlich, doch von einer wunderschönen Flusslandschaft umgeben...

Völlig entkräftet und gepeinigt vom Gegenwind erreichten wir den nächsten Stützpunkt, wo ein Teil der Gruppe schon auf uns wartete. Wieder war der Stützpunkt ein Bauernhof. Wir stellten unsere Tandems ab und beschäftigten uns mit pausemachen und trinken, bis alle anderen da waren. Der Bauernhof lag direkt am Ufer eines Flusses und man munkelte schon, was unsere nächste Aufgabe sein würde....

Auf dem Hinterhof des Gehöftes hatte einer schon so seltsam lange 2 Mann Boote entdeckt, die man dort, wie es schien, mieten konnte. Und es kam, was wir alle erwarteten. Wir tauschen unsere Tandems gegen Kanus...

Fett! Bombenwetter, ultrageiler Fluss und wir beim Kanufahren. Na wenn das nicht cool ist.

Auf in die Boote lautete der Befehl. So sollte es sein. Diesmal war Tibor mein Mann an Deck. Wir machten das Schiffchen startklar und es ging los. Wieder hatten wir ein paar Koordinationsprobleme. Es galt gleichzeitig UND in die gleiche Richtung zu paddeln, was uns am Anfang zumindest nicht immer gelang... Wir ruderten den Fluss entlang, lieferten uns Wettkämpfe mit den anderen Paddelteams unserer Gruppe und machten uns gegenseitig so nass wie möglich. 5Km lang. Dann war der Fluss auf einmal zu Ende. Einfach fertig. Und wir strandeten dumm guckend auf einer Wiese, zogen die Boote an Land und warteten auf die anderen und auf Henk, der die Sache koordinierte und mit dem Auto hinterherfuhr. Der kam dann auch und mit ihm dunkle Wolken... Sollte es etwa anfangen zu regnen? Wir waren doch schon alle bis auf die Knochen nass. Was würde uns der Regen also noch bringen? Das wäre doof.

Wir ließen uns die Laune nicht verderben, packten unsere Lunchpakete aus und schmausten. Henk hatte noch Saft und Milch besorgt und wir ließen es uns gut gehen.Selbstverständlich warteten wir mit dem Essen nicht bis alle Paddelteams da waren. Dann wäre für uns ja nichts mehr geblieben... ;) Nach der Essenspause lehnten wir uns zurück und waren alle stolz das Survivaltraining, wenn auch mit letzter Kraft, bestanden zu haben. Wir waren ja noch am Leben.

Bis einem dann ein ziemlich dummer Gedanke kam...

Wie kommen wir eigentlich von hier,der ziemlich exakten Mitte des Garnichts, wieder zurück in unser Hostel?

Böse Frage...

Ich glaube zu diesem Zeitpunkt klebten auf Henk so ziemlich alle Augen, die wir zur Verfügung hatten mit fragend, ängstlichem Blick...

Der aber grinste nur und sagte: „Ich mit dem Auto und ihr, so wie ihr hergekommen seid...“

Nein!

Jetzt begriff ich, was sie mit survival meinten. Nochmal das ganze? Pitschnass? Kanu, Tandem und wandern?

Och nöö....

Aber ein deutscher Junge weint nicht.

Auf zurück. Dorthin, wos warm ist.

Diesmal viel meine Tandemwahl auf Ferdi. Wir beschlossen eigentlich es ruhig angehen zu lassen... Keine Hektik. Aber dann waren da so ein paar Wilde, deren Namen ich nicht nennen möchte, die meinten mukken zu müssen und uns mit mörderischer Geschwindigkeit überholten. Laut lachend. Wir vielen immer weiter zurück... Konnten wir uns das bieten lassen? Eher minder, oder? Also beschlossen wir das komplette Feld von hinten aufzurollen. Treten bis in den Tod, lautete der Schwur...

Ich weiß wirklich nicht, wie ich diesen unglaublichen Kraftakt in Worte fassen kann, damit ihr auch nur ansatzweise nachempfinden könnt, was wir in der folgenden Viertelstunde empfunden haben... Ich glaube meine Beine sterben immernoch ab...

Ultra.

Und wir haben es geschafft. Wir haben sie alle abgezockt! Die Letzten 20 Meter vor dem Ziel! Ha!

Und wir haben überlebt! Dafür hatte sich die ganze Aktion gelohnt...

Was ein Kampf...


Der Rest des Seminars war weit minder anstrengend. Natürlich verfolgten wir das Österreich-Spiel der Deutschen und auch das Holland-Spiel gegen Rumänien gab es auf der Leinwand zu sehen.

Der Anschied am letzten Tag war dann natürlich dramatisch und nicht ganz einfach. Für einen Großteil unserer Gruppe, nämlich denen, die am European Volunteer Service-Programm teilnehmen (mit Namen die Mädels und die Ungarn) verabschieden sich aus Holland bis zum Ende dieses Monats. Dementsprechend werde ich diese Woche noch einige Menschen besuchen müssen und wollen, die ich dann erst auf dem Rückkehrerseminar in Weimar wiedersehe. Mann, wie ich mich darauf freue...


Auf das Ausscheiden der Niederländer bei der EM möchte ich nur der Vollständigkeitshalber am Rande eingehen. Glaubt mir, es war bitter. Ich bin ja inzwischen erklärter Holland Fan (was selbstverständlich in keinerlei Konkurrenz zu meinem deutschen Fußballherzen steht) und wir Freiwilligen gaben uns das Spiel beim Public Viewing in Arnhem auf dem Korenmarkt.

Mehrere tausend Menschen hatte es dort hin gezogen um zu feiern.... Aber alles kam anders. Damit hätte keiner gerechnet. Doch allen Erwartungen zum trotz blieb alles friedlich und nach den ersten 10min der Trauer und des Schmerzes schien alles wieder vergessen und wir feierten mit orangen Niederländern noch den Rest des Abends ausgelassen. Jetzt hatte Oranje schon verloren, jetzt wolle man sich die Stimmung und damit den Abend wenigstens nicht ganz versauen lassen... Tolle Einstellung! Das lob ich mir...


Nun. Das soll es bis zu diesem Zeitpunkt auch mal wieder von mir gewesen sein...

Ich freue mich über Kommentare und verabschiede mich bis zum nächsten Mal!


Ole, Ole Deutschland!

In diesem Sinne,


Kai


Johannes und ihre neue Frisur


Ihr werdet euch sicher gefragt haben, was das denn für eine komische Überschrift ist: „Johanna und sein wallendes Haar“ Ich spiele hiermit auf Johannes' neue Frisur an. Wenn ich persönlich an das Seminar denke, kriege ich einfach sein freshes, langes, blondes Haar, das er sich in regelmäßigen Abständen leicht und elegant hinter die Ohren kämmt, nicht mehr aus dem Kopf... ;) Es ist und bleibt unsere lieblings Johanna mit seinem wallenden Haar...

Donnerstag, 5. Juni 2008

NT2, der Kai und Ameland im Mai


Hossa!


Ich hab ihn hinter mir! Den Test der Tests. Nederlands als tweede taal (kurz NT2). Das ist der Sprachtest, den man machen muss, um bei einer niederländischen Universität zugelassen zu werden. So ziemlich das höchste der Gefühle, was man so machen kann. Ihr erkennt sicherlich aus meinen protzenden Worten spricht voller Stolz. Endlich hab ich das Ding hinter mir. Jens und ich haben uns dieser zweitägigen Herausvorderung am 21. und 22. Mai gestellt. Es galt sich in vier Karegorien prüfen zu lassen. Lesen, Sprechen, Hören und Schreiben. Abgenommen wurde der Spaß in Utrecht. Da saßen wir dann in einer Art Großraumbüro. Jeder in seinem abgetrennten Bereich mit Headset auf vor einem Computer eifrig die Aufgaben am Beantworten. Was kann ich sagen? Leicht wars nicht, aber machbar. Das klingt ziemlich nichtssagend, ich weiß. Trotzdem beschreibt es am genauesten das geforderte Niveau, finde ich.

Kaum war der Test am Nachmittag des 22.5 vorbei, fühlte ich mich völlig fertig. Als hätte ich vier Nächte nicht geschlafen. Komisch. Jetzt müsste doch gefeiert werden?! Aber irgendwie war mir nicht danach. Also holten wir (Jens und ich) uns ein Bier bei Albert Heijn (einem Supermarkt) und setzten uns an den Bahnhof, um auf unseren Zug zurück zu warten. Ich schäme mich schon ein bisschen für diese unspäktakuläre Aktion, aber was will man machen, wenn man sich wie tot fühlt? Lieber schlafen als saufen, oder?

Außerdem sollte es ja am folgenden Tag nach Ameland gehen. Das ist eine, oder besser die Ferieninsel in Norden Hollands. Der eine oder andere wird davon vielleicht schon mal was gehört haben. Es war geplant auf Ameland mit ein paar Freiwilligen einen Caravan zu mieten und ein paar schöne und sonnige Tage am Strand zu verbringen. Also dachte ich mir, ich gebe mich heute mal meiner Müdigkeit bedingungslos hin und schlaf mich aus, um dann auf Ameland schön fit zu sein und mich zu erquicken.

Das war der Plan.

Es kam allerdings so:

Folgender Morgen: Kai steht auf, sein Wecker klingelt. Eigentlich hätte er noch einhundert Stunden weitergeschlafen, aber sein Wecker sah das anders und so mussten 12 genug sein. Es galt noch ein paar Stündchen zu arbeiten und sich dann gegen drei auf den Weg nach Leeuwarden zu machen. Das ist eine Stadt in Friesland. Dort wollte ich mich mit Jens treffen, um mit ihm weiter Richtung Norden zu reisen und dann auf die Insel zu schippern. Das klappte theoretisch auch recht gut. Nur nach Zwolle überkam mich wieder diese lähmende Müdigkeit und ich zog meinen Pulli aus, formte ihn mit Sorgfalt zu einem kleinen blauen Kissen und legte meinen Kopf darauf um ein wenig zu schlummern. Ihr denkt jetzt sicher zu wissen was kommen muss, das kommt. Kai verpasst seine Station. Aber nein. Leeuwarden war die Endstation. :) Sonst wäre das sicher passiert. Ganz sicher.

So schmissen sie mich nach anderthalb Stunden raus und ich rief im Halbschlaf Jens an, wo er denn jetzt stecke, wir wären doch verabredet. Kurz darauf stand er vor mir. Pünktlich diesmal. So kennt man ihn garnicht.

Wir checkten wann der Bus Richtung Küste abfährt.

In über einer Stunde.... Also erstmal was trinken gehen. Wir eierten mit unserem Gepäck ins erstbeste Lokal und ich orderte mir was gesundes. O-Saft. Schwul, ich weiß. Aber ich hatte wirklich Lust drauf. Echt jetzt.

Pünktlich zehn Minuten vor Ankunft des Busses bauten sich Jens und Kai an der Haltestelle auf. In der festen Überzeugung sicher die Ersten zu sein. Doch weit gefehlt. Etwa zweihundert leicht bekleidete, braun gebrannte und gut aussehende junge Leute mit den verschiedensten Surfbrettkonstruktionen unterm Arm hatten die gleiche Idee wie wir. Auf nach Ameland! Der kluge Mensch weiß, dass ein Bus maximal 50 Sitzplätze hat. Wenn dieser dann auch noch rechnen kann (also der Mensch, nicht der Bus), erkennt er, dass diese 200 bunten Wesen sicher nicht alle in dem Bus platz und schon garkeinen Sitzplatz finden werden. Es galt sich also erbittert duchzusetzen. Zusätzlich war dies auch noch der letzte Bus am heutigen Tag zur Fähre. Es bahnte sich also ein wirkliches Problem an. Man rangelte und drängelte schon lange bevor der Bus in Sichtweite war. Aber Kai und Jens hatten einen Masterplan. Eine List sollte uns zu einem Sitzplatz verhelfen. Wir drängten uns nicht in die erste Reihe, wie alle anderen, sondern stellten und an der richtigen Stelle im Pulk auf. Wenn auch in einer der hinteren Reihen. Aber so, dass die vordere Bustür direkt auf unserer Höhe ihre Schleusen öffnete. Und so waren wir ziemlich vorne bei der Platzvergabe dabei und ergatterten sogar noch zwei Plätze zum sitzen! Mit einem fröhlichen „HaHa!“ auf den Lippen ratterten wir einige Minuten später los in Richtung Küste. Das Fahrzeug glich einem Hippiebus. Viel zu viele Menschen drin, von innen durch all die gewagt Gekleideten durchweg bunt und selbst der Bus passte in die Zeit. So ein Uralt-Ding aus silbernem Wellblech und roten Ledersitzen. Sehr stylisch.

Wenn ich nur nicht so müde gewesen wäre... Was war nur los?

Jens und ich begannen auf der Fahrt, die doch um einiges länger war als erwartet, nach geschätzter Minute 324 an, deutsche Fußballieder zu singen.

Sehr zum Vergnügen des Surfer-Hippiemädchens uns gegenüber. Verstanden hat sie nichts, aber mitgesungen. Das lob' ich mir! Der Rest guckte ein bisschen komisch. Naja.

Nach etwa ganz langer Zeit kamen wir dann endlich am Fährhafen an. Wieder mussten wir uns in eine kilometerlange Schlange anstellen. Irgendjemand erklärte uns dann, dass auf unserer Zielinsel ein großes Festival stattfand. Darum all die vielen gutgelaunten Menschen. Jetzt wurde mir einiges klar. Um nicht während dem Anstehen einzuschlafen, zettelte ich mit Jens eine Diskussion an, wie wir der Schalterfrau, die die Tickets für die Fähre verkaufte, am Besten weis machen könnten, dass wir über 65 sind und deshalb den 65+ Tarif nutzen können um Geld zu sparen. Aber die dämliche Dame an der Kasse wollte uns kein Wort glauben. Ich versuchte es dann mit dem Hundetarif. Auch davon wollte sie nix wissen. Und das obwohl sie später zugab, dass sie mir den noch am ehesten verkauft hätte...

Das muss an meinen Augenringen gelegen haben.

Was folgte waren anderthalb Stunden auf einer unglaublich überfüllten Fähre. Wir quetschten uns auf eine Bank im „Restaurant“ des Schiffes und ich musste das unerträgliche Geschwätz eines Holländers ertragen, der mit seiner unfassbar lauten Froschstimme unerbitterlich auf seinen Freund einhämmerte, welcher aus Selbstschutz immer wieder mir einem „JaJa“ in Zimmerlautstärke antwortete. Nachdem die Beiden dann vier Bier geleert, Jens sein Sudoku gelöst hatte und ich beinah ausgerastet wäre, kamen wir im Zielhafen an und drängten uns nach draußen.

Wieder ging es in einen Bus. Diesmal aber ohne Hippies. Wir überqueerten einmal die Insel und erreichten das Örtchen Hollum. Da wollten wir hin. Auf den Campingplatz Boomhiemke. Da waren wir nun nach einer weiteren dreiviertelstunde reisen.

Ich war am Ende.

Kristin holte uns von der Bushaltestelle ab. Ich dankte Gott. Endlich ein bekanntes Gesicht. Zeichen der Ankunft und der Ruhe. Auf dem Weg zu unserem gemieteten Caravan witzelte ich schon ein bisschen zynisch über erwartete Größe und Kompfort. Mein Zelt hatte ich sicherheitshalber schonmal mitgenommen. In einem Wohnwagen mit 10 anderen übereinander zu schlafen. Nein, das musste jetzt nicht mehr sein.

Tja. Und da stand er nun. Der Caravan. 15 Meter lang, ein reisiges Wohnzimmer mit Karmin und Fernseher, zwei Schlafzimmer, Küche und Bad.

Ich hatte Mühe meinen Mund zuzukriegen.

Mann, was ein Prachtexemplar von einem Trailer. Und das für wenig Geld. Langsam begann ich mich auf den Abend zu freuen. Die anderen kamen später noch auf die glorreiche Idee nachts zum Strand zu gehen, um die Atmosphäre zu genießen, aber ich fühlte mich derart komisch, dass ich es vorzog mit Kristin da zu bleiben und mir eine Kochsendung vor dem Karmin mit ihr anzusehen. Dort kochte unter anderm der Koch der Deutschen Nationalmannschaft, der coolerweise mit Nachnamen Stromberg heißt. Der Abend verging wie im Fluge und ich ging früh schlafen.

Und dann kam es. Der Grund, warum ich mich schon die Ganze Zeit so nach Ruhe und Bett sehnte.

Das Fieber.

Ach du scheiße. Die Nacht war Himmel und Hölle zugleich. Auf der einen Seite war ich froh endlich in einem Bett zu liegen, auf der anderen Seite kochte ich und fror gleichzeitig. Eine Qual... Es ging mir echt dreckig die Nacht...

Am nächsten Morgen war es schon ein bisschen besser, aber von gut war nicht zu sprechen. Dafür schien die Sonne. Auch was wert. Es windete unheimlich, doch es war schön warm. Wir beschlossen an den Strand zu wandern um dort den Tag zu verbringen. Also verließen wir unser Luxusdings auf Rädern und machten uns auf durch die Dünen und Deiche zum Wasser. Wirklich traumhafte Landschaft da. Besonders der Leuchtturm, der nachts den Campingplatz in regelmäßigen Abständen mit seinem Licht streifte, hat es mir angetan.

Es muss ein bisschen lustig ausgesehen haben, wie ich da so vollkommen bekleidet, weil noch ein wenig fiebrig, mitten in der Sonne am Strand im Sand lag und alle Viere von mir streckte. Ich glaube davon gibt es sogar Fotos. Ich war absolut zufrieden. Alles was ich brauchte hatte ich. Luft zum atmen, Sonne, Wasser, Bikinis und keinen Grund mich bewegen zu müssen. Dafür hat sich die ganze Action am vorigen Tag gelohnt.

Der Kai begann sich zu entspannen...


Gegen Abend wurde es dann aber wieder etwas schlimmer und so rettete mich der Eurovision Songcontest. Wirklich homo, ich gebs zu, aber zu mehr war ich beim besten Willen nicht fähig. Alles andere hätte keinen Spaß gebracht und dann hätte ich den anderen den Abend versaut. Und so wars ja dann auch nicht gedacht...

Der Sonntag war dann ziemlich verregnet. Aber das machte ja nichts, weil es dem Kai ja nun wieder besser ging. So wie sich das gehört. Am Ende des Urlaubs fit werden. Nunja.

Wir gingen schwimmen. Nein, nicht im Meer, sondern im Schwimmbad des Platzes. Das Becken war nicht wirklich späktakulär, aber wir machten uns Spaß. So begannen wir beispielsweise mit allerlei Schaumstoffschwimmhilfen ein Floß zu bauen. Das war uns eine Freude... ;)

Abends saßen wir in geselliger Runde zusammen in unserem Mega-Ultra-Wohnzimmer und spielten Trinkspiele. Montagmorgen gab es dann noch ein ausgebreitetes Frühstück und dann machte man sich in Gruppen über den Tag verteilt wieder auf den Rückweg.

Ich dankte Gott als ich nach erneuten 7 Stunden Reise endlich zu Hause in Barneveld in meinem Bett lag und die Augen schloss.

Wieder was erlebt. Wenn auch diesmal mit Haken.


Ich freue mich aufs nächste Mal, dann bin ich wieder fit, versprochen.



Es grüßt aus Hollands' Herzen,



Kai